Die Basis für einen zielführenden Kreativprozess ist eine sinnvolle Fragestellung. Um diese zu finden, ist es notwendig, das Thema zu überblicken und zu verstehen. Ein häufiger Fehler in der Praxis ist es, den Problemraum zu überspringen und zu schnell zu glauben, die Thematik verstanden zu haben. Das Risiko wächst, mit der falschen Fragestellung in den weiteren Prozess zu gehen und dort viel Energie für die Generierung nicht zielführender Ideen zu verschwenden.

Eine Methode, die dabei unterstützt, ein tieferes Verständnis und eine Übersicht über ein Thema zu erhalten, ist die 6W-Fragetechnik. Wie der Name verrät, besteht die Methode aus sechs Fragen, die der Anwender sich nacheinander stellt und womit er hinterfragt, ob er bereits ausreichend Informationen besitzt oder tiefer in diese Bereiche einsteigen muss. Mit der Methode erhält der Anwender einen Leitfaden, wie er blinde Flecken erkennen und sie in die Analyse aufnehmen kann.

Wer?

Die erste W-Frage fragt nach dem „Wer“. Konkretisiert wird sie durch mehrere Unterfragen, wie zum Beispiel „Wer ist der Entscheider?“, „Wer ist beteiligt?“, „Wer ist betroffen?“ oder „Wer profitiert?“.

Durch die unterschiedlichen Impulse ergibt sich eine Liste der involvierten Personen. Es zeigen sich verschiedene Personenkreise, die Überschneidungen und gegensätzliche Positionen sichtbar machen. Der Anwender erhält einen Überblick, welche Personen im engsten und im weitesten Sinne mit der Thematik in Verbindung stehen. Dieses Wissen erlaubt ein aktives Management der Shareholder und Stakeholder. Auf Basis der Liste können Einzelpersonen und Personenkreise priorisiert und Kommunikationsstrategien entwickelt werden, um die Touchpoints mit den Personen optimal zu gestalten. Dieses Touchpoint-Management ist ein Erfolgsfaktor für eine gelungene Erarbeitung der relevanten Fragestellung und der späteren Umsetzung.

Was?

Bei der zweiten W-Frage steht das „Was“ im Fokus. Über Unterfragen wie „Was wissen wir?“ oder auch das Gegenteil „Was wissen wir nicht?“, mit Fragen nach der bestmöglichen Lösung („Was wäre ideal?“) oder der Historie („Was wurde schon versucht?“) ergibt sich eine Liste von Aktivitäten und Ereignissen. Mit der Auflistung des vorhandenen Wissens wird dieses zentral zusammengeführt und bringt alle auf den gleichen Kenntnisstand. Die Gegenfrage „Was wissen wir nicht?“ lenkt den Blick bewusst auf offene Fragen oder Themenbereiche, die bisher unbekannt sind. Hiermit bekommen die Anwender die Möglichkeit zu entscheiden, ob die Klärung der offenen Fragen wichtig ist und priorisiert werden sollte oder ob sie bewusst depriorisiert werden kann. Die Frage nach der Idealvorstellung zeigt einerseits die Differenz zwischen der Ist-Situation und dem Ideal auf, woraus ein konkretes Problem abzuleiten ist. Andererseits gibt sie aber auch einen Hinweis auf einen möglichen Lösungsweg. Mit der Frage, was schon versucht wurde, wird auch die Vergangenheit einbezogen. Eventuell können so bisherige Erfahrungen eingebunden und Ressourcen gespart werden.

Den Fortschritt verdanken wir Menschen, die entweder gefragt haben: warum, oder: warum nicht?
Robert Lembke

Wann?

Die dritte W-Frage fragt nach einem Zeitpunkt über das Wort „Wann?“. Hier sind mögliche Unterfragen: „Wann begann das Problem?“ oder „Wann müssen wir etwas anders machen?“. Das Ergebnis ist ein Bild über alle Zeitpunkte und Zeitabläufe. Diese Perspektive regt die Anwender an, zu hinterfragen, ob der Zeitpunkt eine Rolle spielt. Hierzu muss dokumentiert werden, wann das Problem auftritt. Nach der Auswertung der Dokumentation können mögliche Einflussfaktoren abgeleitet und anschließend geprüft werden. Zum Beispiel, ob das Problem zu einer gewissen Jahreszeit, Uhrzeit oder bei einer bestimmten Person auftritt. Über diese Antworten wird das grobe Thema in einer konkreten Fragestellung zusammengefasst. Die Frage, wann etwas anders gemacht werden muss, bezieht sich hingegen auf die Lösungsperspektive und hinterfragt, ob eine Veränderung des Vorgehens zu einem bestimmten Zeitpunkt Einfluss auf die gewünschte Veränderung hat.

Wo?

Über die vierte W-Frage wird eine Liste mit allen relevanten Plätzen und Orten erarbeitet. Das entscheidende Fragewort lautet „Wo“ und findet sich zum Beispiel in den folgenden Unterfragen wieder: „Wo tritt das Problem auf?“ oder „Wo wurde das Problem schon gelöst?“. Der Ort bestimmt, wo das Problem erkannt wird und wo es zu lösen ist. Gleichzeitig grenzt es die Möglichkeiten ein, indem man zum Beispiel ergänzt, wo dieses Thema kein Problem ist oder wo es kein Problem mehr ist. Hier erhalten die Anwender wichtige Erkenntnisse für einen Transferansatz. Eventuell kann eine erfolgreiche Umsetzung oder eine bestehende Technik auf das aktuelle Problem übertragen werden.

Warum?

Bei der fünften W-Frage geht es um das „Warum“. Hier stellen sich die Fragen „Warum ist das ein Problem?“ und „Warum ist das wichtig?“. Ziel ist eine Liste aller Gründe und Ereignisse. Damit sich der Aufwand lohnt, muss die Fragestellung sowie deren Beantwortung einen Einfluss auf das Unternehmen und seine handelnden Personen haben. Die Frage, warum das Thema ein Problem ist, hinterfragt als Erstes, ob es überhaupt ein Problem ist, und fordert andererseits, wenn ja, eine konkrete Antwort, warum genau es ein Problem ist. Mit der Frage nach der Wichtigkeit werden letztlich die negativen Auswirkungen zusammengetragen, die wiederum ein Teil des Potenzials abbilden. Gleichzeitig impliziert die Frage einen naheliegenden Impuls, nämlich was passiert, wenn das Problem nicht behoben wird. Spätestens hier wird deutlich, dass durch die vorgegebenen Fragen wiederum neue entstehen, die das Problem gut umreißen.

Wie?

Die letzte W-Frage fragt nach dem „Wie“. „Wie fühlen sich die Beteiligten?“ oder „Wie könnte das Problem jemand nutzen?“ sind nur zwei von vielen Beispielen. Hier ist das Ziel eine Liste mit den Arten und Weisen, wie Ereignisse passierten bzw. passieren. Es wird die Gefühlslage der beteiligten Personen miteinbezogen und auch die Perspektive, ob der gegenwärtige Nachteil nicht auch einen Vorteil für andere Personengruppen bietet. Vielleicht können wir mit dem gegenwärtigen Nachteil einen anderen Kundenkreis gewinnen und glücklich machen. Das „Wie“ als Fragewort ist sehr mächtig. Durch die Vielseitigkeit der Zusätze – „wie oft“, „wie lange“, „wie viel“ – sind zahlreiche Fragestellungen möglich, die je nach Ausgangsthema das Gesamtbild sinnvoll ergänzen.

Methoden müssen nicht immer kompliziert sein. Wie die 6W-Fragen zeigen, können auch Fragen als Leitfaden einen erheblichen Nutzen bei der Auswahl des Themas und der damit verbundenen Fragestellung bieten. Sie helfen das Thema zu verstehen, zu strukturieren und indirekt, es auch zu lösen. Viele Fragen drängen sich im Prozess auf, jedoch gibt es häufig die angesprochenen blinden Flecken. Diese durch unterschiedliche Impulse zu minimieren, zählt zu den Stärken der 6W-Methode.