Überblick

Die Beantwortung der Frage, welcher Akteur innerhalb einer Supply Chain welche Aufgaben wahrnimmt, ist ein wesentlicher erfolgskritischer Faktor für die Leistungsfähigkeit einer Supply Chain. Im Sinne der Prozessoptimierung bieten sich dabei regelmäßig Lösungen an, die jenseits klassischer Aufgabenverteilungen liegen. Ein Beispiel stellt diesem Zusammenhang das Instrument des „Vendor Managed Inventory“ (VMI) dar, bei welchem nicht der Kunde (z.B. Händler) selbst, sondern der Verkäufer bzw. Lieferant (z.B. Hersteller) für das Bestandsmanagement und die Warendisposition auf Kundenseite verantwortlich ist. Die konkrete Ausgestaltung dieser Form der Aufgabenverlagerung ist vertraglich zwischen den beteiligten Parteien zu regeln.

Konzept

Damit der Hersteller bzw. Lieferant – wie vom Konzept des VMI gefordert – die Verantwortung für das Bestandsmanagement des Händlers übernehmen und entscheiden kann, welche Waren wann und in welcher Menge ausgeliefert werden, ist auf Seiten des Händlers entsprechende Transparenz zu gewährleisten. So benötigt der Lieferant insbesondere valide Informationen über aktuelle Lagerbestände und avisierte Verbrauchsmengen, um die Bestände des Kunden kontrollieren zu können. Insbesondere dem Handel verlangt dieses Konzept ein entsprechendes Vertrauen in die Managementqualitäten des Herstellers ab.

Hinsichtlich der praktischen Umsetzung des Konzepts bieten sich mehrere Wege an. Entscheidend ist dabei jeweils die Frage, auf welche Weise der Hersteller an die für seine Entscheidungen relevanten Informationen gelangt. So kann der Händler beispielsweise im Rahmen turnusmäßiger vor Ort-Besuche in den Lagern des Händlers Fehlbestände direkt feststellen und entsprechend reagieren. Demgegenüber kann über webbasierte Lösungen ein Bestandsmonitoring in Echtzeit gewährleitet werden. Hier bietet sich beispielsweise der Einsatz von Füllsensoren (z.B. in Kraftstofftanks von Tankstellen) oder von Kassensystemen an, welche den Lieferanten mittels des Internets über die jeweiligen Bestandsmengen informieren.

In einer weiteren Variante befinden sich die Warenbestände in den Lagern des Händlers solange im Besitz des Lieferanten, bis einzelne Waren aus dem Bestand entnommen werden. Diese Entnahme begründet dann eine Übertragung des Eigentums vom Hersteller auf den Händler. Hier kann der Lieferant seinen eigenen Bestand kontrollieren und entlang der Warenentnahmen bedarfsgerecht auffüllen. Derartige Lager werden als „Konsignationslager“ (consignment stock) bezeichnet.

Bei der Version des „Co-Managed Inventory“ wird die Verantwortung für das Management des Warenbestandes zwischen Lieferanten und Händlern aufgeteilt. Hier erhebt der Händler die erforderlichen Daten und übermittelt diese an den Hersteller. Dieser formuliert dann angesichts dieser Informationen eine Bestellliste, die jedoch vom Handel verifiziert bzw. bestätigt werden muss.

Mehrwert

Das Konzept des VMI schafft sowohl auf Seiten des Herstellers/Lieferanten als auch des Händlers potentiell signifikante Vorteile. Hersteller können ihre Produktion und Lieferung auf Basis der Händlerdaten bedarfsgerecht ausrichten und dadurch ihre Kosten kontrollieren. Für die Kunden sinkt der administrative Aufwand hinsichtlich von Monitoring- und Bestelltätigkeiten im Rahmen des Bestandsmanagements. Wird das Vertragsdesign so gewählt, dass sich die Eigentumsverhältnisse erst im Zuge der Warenentnahme zugunsten des Kunden ändern, wirkt sich dies zudem positiv auf dessen Bonität aus.