Überblick

Fehlmengenkosten führen zu nicht intendierten Kapitalbindungen innerhalb einer Supply Chain. So genannte direkte Fehlmengenkosten entstehen dann, wenn die im Lager bevorrateten Güter nicht geeignet sind, um unternehmensinterne (Produktionsmaterialien etc.) und externe (Kundenbestellungen etc.) Bedarfe in quantitativer und qualitativer Hinsicht zeitgerecht zu decken. Hierunter fallen beispielsweise

  • ausbleibende Umsätze und Deckungsbeiträge,
  • Konventionalstrafen bei verspäteter Lieferung,
  • Zahlung von Schadensersatz,
  • Kosten für die Bearbeitung von Reklamationen,
  • Opportunitätskosten (z.B. Stillstand von Maschinen, fortlaufende Lohnkosten), oder die
  • Gewährung von Preisnachlässen bei verzögerter Lieferung.

Unter dem Begriff der indirekten Fehlmengenkosten werden demgegenüber die Kosten für diejenigen reaktiven Maßnahmen zusammengefasst, die innerhalb einer Supply Chain ergriffen werden, um eine bevorstehende Unterdeckung des Bedarfs doch noch abzuwenden. Derartige „Last Minute“-Aktivitäten sind in der Realität jedoch häufig verhältnismäßig kostenintensiv und lassen den Anteil der Fehlmengenkosten steigen; zum Beispiel durch:

  • den Warenversand per Eillieferungen,
  • ein ersatzweises Ausweichen auf vergleichsweise hochpreisige Güter und Materialien,
  • die Kooperation mit teureren Lieferanten,
  • negative Ausstrahlwirkungen auf andere, nicht betroffene, sowie potentielle Neu-Kunden im Sinne eines Imageverlustes oder im Extremfall gar
  • den Verlust von Kunden.

Konzept

Die Quantifizierung von Fehlmengenkosten ist in der Regel überwiegend nur über entsprechende Schätzungen möglich, da die jeweiligen Wirkfaktoren nicht in jedem Einzelfall unmittelbar quantifizierbar und Kausalzusammenhänge regelmäßig nicht immer identifizier- bzw. nachweisbar sind. Diese Feststellung gilt insbesondere hinsichtlich der Bezifferung der indirekten Fehlmengenkosten. Während also beispielsweise mögliche Strafkosten oder Schadensersatzforderungen eindeutig zu bestimmen sind, gilt dies für die Bezifferung möglicher Auswirkungen auf die künftige Absatzentwicklung und Kundenbindung nicht uneingeschränkt. Zu berücksichtigen ist in jedem Fall, dass Fehlmengenkosten an unterschiedlichen Stellen der Ablauforganisation (Logistik, Beschaffungsmanagement etc.) entstehen können und immer das Gesamtbild betrachtet werden muss. Unabhängig von der jeweiligen Höhe der Fehlmengenkosten sollten im Rahmen der Unternehmenspolitik Strategien festgelegt werden, um diese so weit wie möglich zu minimieren. Zur Unterbindung indirekter Kosten sind die entsprechenden Maßnahmen überdies präventiv auszurichten.Entsprechende Wege der Risikominimierung für die Entstehung von Fehlmengenkosten können beispielsweise über die Vorhaltung ausreichender Sicherheitsbestände führen. Dabei muss jedoch berücksichtigt werden, dass die Fehlmengenkosten bei einer Erhöhung des Sicherheitsbestandes zwar potentiell abnehmen, die Kosten für die Lagerhaltung von nicht unmittelbar bedarfsrelevanten Gütern jedoch ansteigen. Der Zweck des Sicherheitsbestandes, der Gefahr eines Lieferengpasses präventiv zu begegnen, kann dabei aus betriebswirtschaftlichen Erwägungen heraus nicht uneingeschränkt die Mittel heiligen, die für dessen Bevorratung erforderlich sind. Vielmehr sind bei der Bestimmung des Sicherheitsbestandes die entsprechenden Kosten denjenigen Ausgaben gegenüberzustellen, die entstehen würden, wenn die Produktion in Folge von Fehlmengen beeinträchtigt würde oder gar gestoppt werden müsste.

Andere Maßnahmen wiederum können auf der Ebene der Lieferanten ansetzen. Diese sollten beispielsweise kontinuierlich anhand entsprechender Zuverlässigkeitskriterien (z.B. Einhaltung von Lieferterminen, Anzahl und Qualität von Reklamationen, Falsch-Lieferungen) überprüft werden. Außerdem kann die langfristige Beauftragung ortsnaher Lieferanten das Fehlmengenkosten-Risiko reduzieren, da hier aufgrund der Lieferdistanz insbesondere die Nichteinhaltung von Lieferterminen aufgrund von Verkehrs- und/oder wetterbedingten Störungen, falsch adressierter Ware etc. tendenziell eher unwahrscheinlich ist. Auch kontinuierliche Maßnahmen des Qualitätsmanagements können dabei helfen, die Entstehung von Fehlmengen und entsprechende Kosten (Reklamationen etc.) zu minimieren.

Mehrwert

Unternehmerische Maßnahmen im Zusammenhang mit Fehlmengenkosten besitzen erst dann einen echten betriebswirtschaftlichen Mehrwert, wenn sie nicht lediglich reaktiv auf die Eindämmung entsprechender Folgen abzielen, sondern proaktiv mögliche Ursachen in den Blick nehmen. Ihr konkreter Mehrwert liegt dann insbesondere darin, dass das entsprechende Kapital nicht zur Deckung von direkten und indirekten Fehlmengenkosten gebunden wird, sondern für das Management des Regelbetriebs der Supply Chain und dessen Aufrechterhaltung zur Verfügung steht.